Preisfehler im Internet: Laut Urteilen des LG München II keine Chance für Schnäppchenjäger

Urteile des LG München II zu offensichtlichen Preisfehlern im Internet beim Fahrzeugkauf

Viele Internetnutzer träumen von dem echten Schnäppchen: dem Flachbildfernseher für 9,99 Euro oder dem Erste-Klasse-Flug für € 126,50. Tatsächlich kommen solche Angebote gar nicht so selten vor. Meistens handelt es sich dabei jedoch um Preisfehler, d.h. der Händler wollte seine Waren oder Dienstleistungen überhaupt nicht zu diesem niedrigen Preis anbieten, sondern hat sich vertippt, verschrieben oder ähnliches. Es gibt sogar Preissuchmaschinen wie www.monsterdealz.de, auf denen Internetnutzer gezielt nach extrem günstigen Angeboten verschiedener Produkte einen Preisalarm setzen können. Wird der Preis im Angebot unterschritten, löst dies den Preisalarm aus und der Nutzer erhält eine automatische Benachrichtigung. Was für den Internetnutzer ein absolutes Schnäppchen darstellt, kann umgekehrt fpr den Händler zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Wenn er in großem Stil Ware deutlich günstiger verkaufen muss als er im Einkauf zahlt, macht er ein Verlustgeschäft und kann schnell in wirtschaftliche Schieflage geraten.

Preisfehler im Internet: Wie ist die Rechtslage?

Um hier einen Überblick über die Rechtslage zu geben, stellen wir an dieser Stelle einen Fall aus unserer Kanzlei vor, bei dem es um einen Preisfehler im Internet ging. Ein Mandant unserer Kanzlei, der gewerblicher Anbieter von EU-Neufahrzeugen ist, hält auf seiner Internetseite einen Konfigurator vor, mit welchem sich ein Kaufinteressant nach Angabe von Hersteller und Fahrzeugtyp sein Wunschfahrzeug zusammenstellen kann. Nach Abschluss der Konfiguration kann der Kunde seine Konfiguration abschicken und erhält per Email automatisiert als Entwurf einen vorbereiteten Kaufvertrag über das ausgesuchte Fahrzeug. Zum Abschluss des Vertrages istlaut Allgemeiner Geschäfsbedingungen der Kaufvertrag auszufüllen und unterschrieben an den Händler zurückzusenden und dabei eine Kopie seines Personalausweises mitzuschicken.
Eines Tages kam es - wie die Überschrift zu diesem Artikel schon vermuten lässt - zu einem Preisfehler. Ein VW Touran wurde in einer bestimmten Ausstattungsvariante nicht mehr von Volkswagen produziert, so dass der Händler die Ausstattungsvariante vom Konfigurator entfernen lassen wollte. Doch anstatt die Ausstattungsvariante zu entfernen, wurde ein viel zu niedriger Preis angegeben. Es kam wie es kommen muss: Angelockt durch Beiträge in mehreren Preissuchmaschinen, u.a. www.monsterdealz.de, nutzten über ein Wochenende rund 600 Personen den Konfigurator und übersandten den von ihnen ausgefüllten Kaufvertrag unterschrieben samt Ausweiskopie an den Händler. Dieser bemerkte den Fehler am Montag Vormittag und korrigierte umgehend den Preisfehler. Doch zahlreiche "Kunden" beharrten darauf, dass mit ihnen ein rechtswirksamer Kaufvertrag abgeschlossen worden sei und forderten entweder Erfüllung des Kaufvertrages (Lieferung des Fahrzeuges im Wert von 30.000,00 für € 2.880,00) oder forderten Schadensersatz (Differenz des Fahrzeugwertes von € 30.000,00 zum Kaufpreis € 2.880,00).

Preisfehler-Urteil LG München II vom 01.07.2022: Kein Kaufvertrag

Bislang haben drei vermeintliche Kunden des EU-Neuwagen-Händlers Klage beim Landgericht München II, welches örtlich für alle Verfahren zuständig ist, erhoben. Der Kläger des hier besprochenen Falles hatte Klage erhoben und beantragt, den EU-Neuwagen-Händler dazu zu verurteilen, den bestellten VW Touran an den Kläger zu übergeben und zu übereignen Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von insgesamt € 3.332,00 (€ 2.880,00 + die gewählte Sonderausstattung). Außerdem sollte der Händler, unser Mandant, die außergerichtlichen Anwaltskosten erstatten.
Wir traten der Klage entgegen und nach mündlicher Verhandlung hat das Landgericht München II wie von uns beantrag die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt (Urteil vom 01.07.2022, Az.: 13 O 4914/21). Das Gericht sah hier bereits keinen Kaufvertrag. Auf unsere weiteren Einwände, dass das Feshalten am Kaufvertrag - sollte dieser aus Sicht des Gerichts geschlossen worden sein - seitens des Klägers aufgrund des offensichtlich viel zu niedrig ausgewiesenen Preises treuwidrig wäre, kam es damit nicht einmal mehr an. Andere Gerichte hatten in Fällen, in welchen ein Kaufvertrag vorlag, entschieden dass das Festhalten des Käufers unter bestimmten Voraussetzungen sittenwidrig ist und der Käufer daher keine Ansprüche aus dem Kaufvertrag herleiten kann. Diese Fallkonstellation ist m.E. hier ebenfalls einschlägig. Der "Käufer" hat gegen das Urteil Berufung zum OLG München eingelegt, das Urteil ist damit noch nicht rechtskräftig.

Preisfehler-Urteil LG München II vom 11.08.2022: Ebenfalls kein Kaufvertrag

Ein weiterer vergleichbarer Fall wurde kurze Zeit später vor einer anderen Kammer des Landgerichts München II verhandelt. Auch dieses Verfahren endete für den kaufwilligen Internetnutzer höchst unerfreulich, erhielt er doch zusammen mit seinem Rechtsanwalt bereits in der mündlichen Verhandlung die klare Ansage der Richterin, dass hier "nie und nimmer" von einem wirksam geschlossenen Kaufvertrag über das gewünschte Fahrzeug auszugehen war.
Das Gericht hatte hier grundlegend ausgeführt, wie ein Vertrag nach deutschem Kaufrecht zustande kommt: durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme. Die klagenden "Kunden" - wie auch hier der Kläger - sahen immer in dem Verhalten des beklagten Autohändlers das Angebot, welches sie selbst angenommen hätten, womit der Vertrag zustandgekommen wäre. Doch das Gericht wies deutlich darauf hin, dass ein solches Angebot durch den Händler hier nicht abgegeben worden war. Vielmehr hatte es sich um die bloße Aufforderung, ein Angebot abzugeben gehandelt, von den Juristen invitatio ad offerendum genannt. Die Abgrenzung zwischen einem rechtswirksamen Angebot und einer invitatio ad offerendum sei durch Auslegung zu ermitteln und im Rahmen war es auch unschädlich, dass der Händler in der automatisierten Email das Wort "Angebot" verwendet hatte. Denn dieses war nicht als Angebot im Rechtssinne zu verstehen.
Das Gericht hatte sich hier sehr ausfürlich mit den Modalitäten des Verkaufsschlusses im Internet auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, dass hier das "Angebot" von Fahrzeugen sich nicht an eine bestimmte, sondern an eine unbestimmte Anzahl von Personen richtete. Sinn ist es daher, den potentiellen Vertragspartner (Käufer) auf das Angebot zu informieren, vergleichbar mit der Schaufensterauslage im stationären Einzelhandel. Dem Händler muss es unbenommen sein, zunächst unverbindlich auf sein Leistungsspektrum hinzuweisen und es sich vorbehalten, die eigene Leistungefähigkeit einerseits (gerade bei einer Vielzahl von Bestellungen) und die Zahlungsfähigkeit des potentiellen Vertragspartners andererseits zu überprüfen. Damit stellt das Gericht fest, dass durch den Konfigurator auf der Homepage des Händlers noch kein Angebot im Rechtssinne ausging.
Auch das Abschicken der Anfrage nach Durchführung der Konfiguration war noch kein Angebot des Kunden, mit dem Händler einen Kaufvertrag abzuschließen. Schließlich war bereits durch die Beschriftung des Buttons "jetzt unverbindlich anfragen" ersichtlich, dass der Kunde lediglich eine unverbindliche Anfrage an den Anbieter über den beabsichtigten Erwerb des ausgesuchten Fahrzeuges schickt.
Der Kläger hatte sich vor allem darauf berufen, dass die automatisierte Email, welche er nach Abschluss der Konfiguration und Betätigung des Buttons erhielt, ein Angebot des Autohändlers darstelle. Dabei berief er sich vor allem auch darauf, dass in der Email stand, dass ihm sein Wunschfahrzeug "angeboten" werden könne. Doch das Gericht machte dem Schnäppchenjäger auch hier einen Strich durch die Rechnung und nahm ein solches Angebot im Rechtssinne nicht an. Vielmehr stellte das Gericht darauf ab, dass der Händler mit der Email lediglich seiner gesetzlichen Verpflichtung (vgl. § 312 i I S. 1 Nr. 3 BGB) nachkam, dem Kaufinteressenten eine Bestellbestätigung zukommen zu lassen. Darüber hinaus hatte der Händler in der automatisierten Email ausdrücklich festgehalten, dass er selbst erst durch Rücksendung des unterzeichneten Kaufvertrages sowie seiner persönlichen Unterlagen ein Angebot abgibt. Damit stellte erst die Rücksendung des vom Kläger unterzeichneten Kaufvertrages mitsamt der Kopie seines Personalausweises ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages über das Fahrzeug dar. Und dieses Angebot wurde von dem beklagten Autohändler nicht angenommen. Nach der automatisierten Email und auch nach den AGB war für den Vertragsschluss ein schriftliches Vorgehen vereinbart, auf welches sich der Kläger durch Ausfüllen des Kaufvertragentwurfes eingelassen hatte. Der Beklagte hatte - nachdem der Preisfehler bemerkt worden war und mehrere hundert kaufwillige Schnäppchenjäger den vorbereiteten Kaufvertrag zurückgeschickt hatten - dem Kläger eine Email geschickt und ihn darauf hingewiesen, dass es sich um einen Preisfehler handelte und er ihm zu diesem Preis das Fahrzeug nicht würde liefern können. Hierin sah das Gericht zu Recht eine Ablehnung des Angebots des Klägers auf Abschluss eines Kaufvertrages.
Da ein Kaufvertrag nicht abgeschlossen wurde, wies das Gericht die Klage des Schnäppchenjägers ab. Folgerichtig prüfte das Gericht daher nicht mehr die vom Autohändler hilfsweise erklärte Anfechtung und den ebenfalls hilfsweise erklärten Rücktritt. Auch den von uns hilfsweise vorgebrachten Einwand des Rechtsmissbrauchs brauchte das Gericht nicht zu prüfen.
Ein dritter Fall ist ebenfalls beim Landgericht München II durch einen weiteren Kläger anhängig gemacht worden. Auch dieser Kläger hatte keinen Erfolg beim Ausnutzen des Preisfehlers im Internet auf der Homepage des Autohändlers. Interessanterweise landeten die drei Klagen alle bei unterschiedlichen Richtern, aber alle Richter sahen keine Erfolgsaussichten der Klage. Der dritte Kläger hatte daher nach der mündlichen Verhandlung, in der er und sein Anwalt sehr nachdrücklich auf die mangelnden Erfolgsaussichten der Klage hingewiesen worden waren, die Klage einen Tag vor dem anberaumten Verkündungstermin zurückgenommen. Daher kam es in diesem Fall nicht zu einem streitigen Urteil, sondern das Landgericht München II hatte nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden - und legte diese folgerichtig dem klagenden Schnäppchenjäger auf.

Preisfehler-Beschluss des OLG München vom 02.03.2023

Wie oben beschrieben hatte der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 01.07.2022 Berufung zum OLG München eingelegt. Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 02.03.2023 (Az.: 18 U 4386/22) den Kläger darauf hingewiesen, dsas seine Berufung ohne Aussicht auf Erfolg ist und ihm angeraten, seine Berufung zurückzunehmen. Ein solcher Beschluss ist in § 522 Abs. 2 ZPO vorgesehen für Fälle, in denen das Berufungsgericht davon ausgeht, dass die Berufung offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg ist und der Fall auch keine grundsätzliche Bedeutung hat. Dem Berufungsführer wird hierdurch die Möglichkeit gegeben, innerhalb einer Frist die Berufung zurückzunehmen und hierdurch Gerichtskosten zu sparen. Hier wiesen die drei Richter des zuständigen OLG-Senats den Schnäppchenjäger darauf hin, dass auch nach Auffassung des Senats kein Kaufvertrag vorliegt und dass damit Ansprüche des vermeintlichen Käufers gegen den Autohändler ausscheiden.


Eingestellt am 06.02.2023 von Rechtsanwalt A. Forsthoff
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