Kehrtwende beim Amtsgericht Hamburg: Deckelung der Anwaltskosten bei Abmahnung auf Gegenstandswert von € 1.000,00 (Hinweisbeschluss vom 24.07.2013, Aktenzeichen 31a C 109/13)

Überraschende Wende der Hamburger Gerichtsbarkeit: AG Hamburg begrenzt Anwaltskosten bei Abmahnung auf rund € 155,00

Bislang können sich Abmahnkanzleien nach urheberrechtlichen Abmahnungen weitgehend frei das Gericht aussuchen, bei dem sie ihre (vermeintlichen) Forderungen eingeklagt haben. Aufgrund der zum Teil grotesk anmutenden Rechtsprechung einzelner Zivilgerichte vor allem in Hamburg, München, Köln und Düsseldorf haben sich die meisten Abmahnkanzleien darauf konzentriert, ihre Klage bei genau diesen Gerichten zu erheben. Gerade in München und Hamburg bedeutete dies in vielen Fällen einen Freifahrtschein, wir wunderten uns immer wieder über einzelne (aus unserer Sicht) Fehlentscheidungen. Diese betrafen sowohl die Haftung des Anschlussinhabers dem Grunde nach für Urheberrechtsverletzungen durch Dritte als auch die Höhe der geltend gemachten Forderungen, insbesondere der Anwaltskosten. Der BGH als höchstes Zivilgericht in Deutschland hat dann oft gerade rücken müssen, was die unterinstanzliche Rechtsprechung an Fehlentwicklungen geleistet hat. Leider kommt es nur sehr selten vor, dass ein Filesharing-Fall bei Gericht landet und daher konnten die Abmahnkanzleien - gestützt auf die Rechtsprechung einzelner Gerichte - ihr übles Spiel weiterspielen und private Internetnutzer mit zum Teil maßlosen Forderungen überziehen.

Das "Gesetz gegen den Abmahnwahn" oder auch "Anti-Abzock-Gesetz"

Auch der Gesetzgeber ist schließlich auf den Plan getreten und will (endlich!) diesen Auswüchsen im Abmahnwesen gegenüber treten. Der bereits vor einigen Jahren eingeführte § 97 a Abs. 2 UrhG, der eine Decklung der Abmahnkosten auf € 100,00 vorsah, war leider so schwammig formuliert, dass ihn die meisten Gerichten mit Füßen traten beziehungsweise schlichtweg nicht anwendeten.
Die Bundesregierung hat daher im Jahr 2013 einen Regierungsentwurf eingebracht. Im Juni 2013 schließlich hat das Parlament den Regierungsentwurf für ein Gesetz gegen "unseriöse Geschäftspraktiken" (mit einigen Änderungen) verabschiedet. Das Gesetz muss nunmehr in den Bundesrat, um in Kraft zu treten. Vorgesehen ist u.a. eine Deckelung des Gegenstandswertes auf € 1.000,00 und eine Begrenzung des sogenannten fliegenden Gerichtsstandes. Privatleute können dann gerade nicht mehr in Hamburg oder München verklagt werden (sofern sie nicht gerade dort wohnen), sondern nur noch an ihrem Wohnsitz. Das Amtsgericht Frankfurt sah in dem fliegenden Gerichtsstand schon bislang einen Rechtsmissbrauch und sah sich bei Filesharing-Fällen nicht zuständig, wenn der Beklagte nicht gerade seinen Wohnsitz im Bezirk des Gerichts hatte. Dies hatte jedoch lediglich dazu geführt, dass die Abmahnkanzleien eben nicht mehr in Frankfurt klagten. Und in Hamburg oder München hatte sich die Erkenntnis der Frankfurter Richter leider noch nicht durchgesetzt.

Der aktuelle Hinweisbeschluss des Amtsgerichs Hamburg (Beschluss vom 24.07.2013, Aktenzeichen 31a C 109/13)

Nunmehr findet ein Hinweisbeschluss des Amtsgericht Hamburg vom 24.07.2013 (Aktenzeichen 31a C 109/13) große Beachtung. Das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken ist zwar zum Zeitpunkt des Beschlusses nocht nicht in Kraft, daher sieht das Amtsgericht Hamburg nach wie vor seine Zuständigkeit als gegeben. Allerdings weist das Amtsgericht Hamburg in der Entscheidung vom 24.07.2013 mit aus unserer Sicht sehr deutlichen Worten darauf hin, wohin die Reise geht: De facto wird das Gesetz jetzt schon angewendet, allerdings über den Umweg des gerichtlichen Ermessens bei der Bemessung des Gegenstandswerts. Unter dem Eindruck des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken sieht es das Amtsgericht Hamburg nunmehr für erforderlich an, den Gegenstandswert bei Abmahnungen auf € 1.000,00 zu begrenzen (Beschluss vom 24.07.2013, Aktenzeichen 31a C 109/13)). Dies hat im Ergebnis zur Folge, das die Abmahnkosten unter Zugrundelegung einer 1,3 Geschäftsgebühr nur noch € 155,30 inklusive Umsatzsteuer betragen, für neue Fälle nach dem 01.08.2013 aufgrund der Gebührenanpassung des RVG sogar nur € 147,56.
Auch sprach sich das Amtsgericht Hamburg gegn einen "Vertrauensschutz" der Abmahnkanzleien und ihrer Mandanten aufgrund der bisherigen Rechtsprechung aus. Vielmehr wird nunmehr zur Kenntnis genommen, dass andere Gerichte bislang bereits geringere Gegenstandswerte angenommen haben.
Im konreten Fall hat das Amtsgericht Hamburg daher der dortigen Klägerin zu einer teilweisen Klagerücknahme geraten.

Was wird sich nach dem Beschluss vom 24.07.2013, Aktenzeichen 31a C 109/13) ändern?

Das Urteil betrifft potentiell eine sechsstellige Anzahl von Abmahnungen, bei denen die (angeblichen) finanziellen Forderungen noch nicht verjährt sind und die noch der alten Gesetzeslage unterliegen. Bis das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in Kraft tritt, können die Abmahnkanzleien noch an einem Gericht ihrer Wahl klagen. Ab Inkrafttreten des "Anti-Abzock-Gesetzes" wird dem zwar ein Riegel vorgeschoben sein. In der Übergangszeit dürfte es jedoch zu einer verstärkten Klageaktivität kommen, da einige Abmahnkanzleien noch einmal schnelles Geld machen wollen.
Wie sich das Landgericht Hamburg positionieren wird, bleibt abzuwarten. Wir halten es jedoch für fraglich, ob nunmehr noch so viele Klagen anhängig gemacht werden wie bisher. Nachdem bereits die Gerichte in Köln und Düsseldorf zunehmend dazu übergehen, massvolle Beträge auszuurteilen, bleibt als letzte Bastion der Abmahnindustrie eigentlich nur noch die Münchner Gerichtsbarket übrig. Das Amtsgericht München hat in einer eigens herausgegebenen Pressmitteilung vom 16.11.2011 auf 1.400 seinerzeit laufende Klagen am Amtsgericht München in Filesharing-Fällen hingewiesen. Die Pressemitteilung liest sich geradezu wie eine Einladung der Abmahnindustrie ans Amtsgericht München. Aber was sollten wir uns auch anderes denken von einem Gericht, das erst unlängst extra eine eigene Richterstelle nur für urheberrechtliche Fälle (und damit de facto fast ausschließlich für Filesharing-Fälle) geschaffen hat?
Zuküntig können wir daher wohl vor allem die Internetnutzer bedauern, die im Bezirk der Münchner Gerichtsbarkeit wohnen. Für alle hat der Spuk maßloser Forderungen wohl endgütlig ein Ende!


Eingestellt am 20.08.2013 von Rechtsanwalt A. Forsthoff
Trackback

Kommentar hinzufügen:

Ihr Kommentar wird nach Überprüfung veröffentlicht.
Ihre persönlichen Daten werden nicht angezeigt.
Ihr Name:
Ihr Kommentar:
Registrieren: E-Mail Benachrichtigung bei neuen Kommentaren.
Registrierte Nutzer können Benachrichtigungen per Email
anfordern, unseren Newsletter abonnieren und weitere
Informationen erhalten.
Spamschutz: Bitte geben Sie die Zeichen auf dem Bild ein.
Neu laden

Wie viele Zeichen befinden sich im Bild?


Bewertung: 0,0 bei 0 Bewertungen.
Wie hilfreich fanden Sie diese Informationen?
(1=wenig hilfreich, 5=sehr hilfreich)

Forsthoff Facebook Bild