Landgericht Heidelberg zum Begriff "Leitender Arzt"
LG Heidelberg urteilt über die wettbewerbsrechtliche Bewertung der Aussage "leitender Arzt" in einem Flyer
Am 20.05.2011 verkündete das Landgericht Heidelberg ein Urteil (Aktenzeichen 11 O 20/11 KfH), in dem es um die wettbewerbsrechtliche Bewertung der Aussage "leitender Arzt" in einem Prospekt ging. Unsere Kanzlei war an diesem Verfahren beteiligt.Es stritten sich ein Arzt als Beklagter und eine Heidelberger Klinik als Klägerin. Der Arzt war zuvor in der Klinik der Klägerin angestellt gewesen. Anschließend arbeitete er in einer anderen Heidelberger Klinik als selbständiger Arzt. Dabei verwendete er einen Flyer, auf dem sein beruflicher Werdegang dargestellt war. Für einen bestimmten Zeitraum stand im Lebenslauf Folgendes:
Leitender Arzt für Ästhetische Operationen an einer Heidelberger Klinik für Plastische und Kosmetische Chirurgie
Bei dieser Heidelberger Klinik handelte es sich um die Klägerin. Diese sah hierin einen Wettbewerbsverstoß, da der Beklagte dort zwar tätig gewesen war, jedoch nicht als leitender Arzt. Der Beklagte hatte unstreitig kein ärztliches Personal unter sich und war auch ansonsten in der Klinik der Klägerin nicht mit Personalverantwortung ausgestattet gewesen. Der Beklagte wies im Klageverfahren vor dem Landgericht Heidelberg jedoch darauf hin, dass die Bezeichnung "leitender Arzt" zum einen nicht berufsrechtlich geschützt sei und zum anderen auch nicht zu beanstanden sei.
Das Urteil des Landgerichts Heidelberg
Das Landgericht Heidelberg stellte in der Aussage des Beklagten einen Wettbewerbsverstoß fest und verurteilte den Beklagten.Als Arzt und Klinik im selben örtlichen Markt (Heidelberg) waren beide Parteien als Mitbewerber einzustufen. Durch die Aussage auf dem Flyer wurde auch eine Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgenommen, da hierdurch potentiellen Patienten die Kompetenz des Arztes verdeutlicht werden sollte. Diese Punkte waren zwischen den Parteien auch unstreitig gewesen.
Das Landgericht Heidelberg erblickte in der Aussage auch eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG, da der Flyer Angaben enthielt, die zur Täuschung des Verkehrs geeignet sind. Solche Angaben sind Aussagen oder Äußerungen, die sich auf Tatsachen beziehen und daher inhaltlich überprüfbar sind. Das Landgericht Heidelberg wies zunächst darauf hin, dass der Begriff des leitenden Arztes ebenso wenig geschützt ist wie der Begriff des Facharztes. Allerdings versteht der durchschnittlich informierte Patient unter einem leitenden Arzt eine herausgehobene Stellung in einer Personalhierarchie. Ohne wettbewerbsrechtliche Bedeutung ist eine tatsächliche besondere und langjährige Erfahrung auf dem speziellen Fachgebiet. Entscheidend ist vielmehr, dass der angesprochene Verkehr mit dem Begriff "leitend" eine entsprechende Funktion im Sinne von Personalverantwortung versteht. Eine solche hatte der Beklagte allerdings unstreitig nicht.
Ergänzend bezog sich das Landgericht Heidelberg in seinen Entscheidungsgründen auch auf das Tarifrecht. Auch im Tarirfrecht wird mit dem Begriff des leitenden Arztes eine Personalverantwortung verbunden. Der leitende Arzt wird im Tarifrecht (Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Argeitgeberverbände (TV-Ärzte-VkA) vom 17.08.2006 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom 09.06.2010) in der Entgeltgruppe IV und damit der höchsten Kategorie bezahlt und steht in seiner Vergütung noch oberhalb des Oberarztes. Nach dem TV-Ärzte-VkA wird unter einem leitenden Arzt ein Chefarzt verstanden.
Schließlich sah das Landgericht Heidelberg insoweit auch eine wettbewerbsrechtliche Relevanz, da angesprochene potentielle Patienten die Qualifikation des in Betracht kommenden Arztes bei ihrer Entscheidungsfindung, ob und in welcher Klinik sie eine bestimmte Operation vornehmen lassen, zumindest mit berücksichtigen.
Die Folgen der Entscheidung
Ärzte und Kliniken sollten nach dieser Entscheidung genauestens prüfen, ob die von ihnen dargestellte Qualifikation des jeweiligen Arztes tatsächlich in vollem Umfang zutreffend ist. Falls dies nicht der Fall ist, drohen eine kostenpflichtige Abmahnung und die gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs und der Kosten der Abmahnung. Ohne Bedeutung ist es dabei, ob die beanstandete Aussage auf einem Flyer, einer Werbetafel, eine Praxisschild oder im Internet verwendet wird. Gerade im Internet ist vor unzutreffenden Angaben zu warnen. Denn wenn mit einer Anzeige im Internet auch Kunden außerhalb des Praxisorts angesprochen werden, könnten je nach Einzelfall auch überregionale Mitbewerber hiervon betroffen sein und entsprechende Ansprüche geltend machen.Wir beraten Sie gerne rund um alle Fragen im Bereich Wettbewerbsrecht.
Eingestellt am 21.07.2011 von Rechtsanwalt A. Forsthoff
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