Waldorf Frommer Sony Music Klage vor dem AG München abgewiesen

Amtsgericht München weist Waldorf Frommer Klage ab: Trendwende in Sicht?

Für einen unserer Mandanten konnten wir aktuell ein höchst erfreuliches Urteil vor dem Amtsgericht München erstreiten (Urteil vom 10.06.2015, Aktenzeichen 155 C 23521/13). Während früher so gut wie jede Filesharing-Klage durchging und Abmahnkanzleien wie Waldorf Frommer fast durchgängig vor Gericht Erfolg hatten - was zur Folge hatte, dass man als Beklager zumeist zähneknirschend gezwungen war, einen ziemlich üblen Vergleich vor Gericht abzuschließen - stehen die Erfolgsaussichten für einen Beklagten seit der Rechtsprechung des BGH nicht mehr so schlecht. Mit Ausnahme der Gerichte in München ist es bei fast allen Gerichten bundesweit nunmehr realistisch, mit der richtigen Verteidigungsstrategie eine Klageabweisung zu erreichen. Wohlgemerkt mit Ausnahme von München. Dort hatte man den Eindruck, dass die Uhren noch immer anders gehen.
Umso erfreulicher ist es, dass sich das Amtsgericht München mit Urteil vom 10.06.2015 (AZ: 155 C 23521/13) jetzt auch der Rechtsauffassung des BGH angeschlossen hat.

Amtsgericht München: Der Prozess

Vorangegangen war ein wahrer Prozessmarathon. Die Anspruchsbegründung zur Klage war von Waldorf Frommer beim Amtsgericht München bereits im Jahr 2013 eingereicht worden, eine erste mündliche Verhandlung fand Anfang 2014 statt. Der Richter war aus meiner Sicht sehr vernünftig und sah nach unserem Vortrag in der Klageerwiderung die Kanzlei Waldorf Frommer in der Beweislast dafür, dass unser Mandant den Verstoß begangen hatte. Wir haben dies bestritten und ausgeführt, weshalb der Mandant als Täter nicht in Betracht kommt. Außerdem hatten wir zwei Mitnutzer des Internetanschlusses benannt, die Freundin (bzw. spätere Verlobte) und den Stiefbruder des Mandanten.
Kurze Zeit später erfolgte ein Richterwechsel beim Amtsgericht München. Die neue Richterin ordnete eine Beweisaufnahme an, in der die beiden Zeugen vernommen sollten. Da zunächst einer der beiden Zeugen nicht erschien, fanden vor dieser Richterin zwei weitere Termine statt. Die Freundin gab an, dass sie selbst und der Stiefbruder Zugriff auf den Internetanschluss des Mandanten hatten. Der Stiefbruder behauptete, er selbst sei erst im Jahr nach dem Verstoß in die Wohnung eingezogen und komme als Täter somit nicht in Betracht.
Beim Amtsgericht München wechselte daraufhin erneut der Richter und aufgrund der widersprüchlichen Aussagen wollte der neue, inzwischen dritte Richter beide Zeugen erneut hören. Da wieder einmal zunächst einer der beiden Zeugen nicht konnte, fanden an zwei unterschiedlichen Tagen die Verhandlungen Nummer 4 und 5 statt. Die Aussagen waren ähnlich denen in den Verhandlungen Nummer 2 und 3. Der Richter sah darauf die Beweislast beim Beklagten, da der Stiefbruder außerdem eine Meldebescheinigung vorlegen konnte, die seine Angaben (Einzug erst im Jahr nach dem Verstoß) zu belegen schien.
Zum Glück für unseren Mandanten hatte dieser um den Verstoßzeitpunkt herum seinen 30. Geburtstag gefeiert. Auf diesem war auch der Stiefbruder. Da wir insgesamt 3 Zeugen aufbieten konnten, die in einem 6. Verhandlungstermin allesamt aus ihrer eigenen Wahrnehmung heraus angegeben haben, dass der Stiefbruder zum Zeitpunkt des Geburtstags und damit zum Zeitpunkt des Verstoßes bereits in der Wohnung des Mandanten gewohnt hatte, erschien die Aussage des Stiefbruders nunmehr als das, als was wir sie von Anfang an bezeichnet hatten: als vermutliche Schutzbehauptung desjenigen, der nicht selbst in Anspruch genommen werden will.
Die Anwälte der Kanzlei Waldorf Frommer boten in dieser insgesamt 6. Verhandlung erneut einen Vergleich an, nachdem zuvor das Gericht mehrfach Vergleiche vorgeschlagen hatte, die sich noch an der alten Rechtsprechung orienitiert hatten und damit für uns nicht akzeptabel waren. Auch den neuen Vergleichsvorschlag von Waldorf Frommer haben wir nach Rücksprache mit dem Mandanten nicht angenommen.

Amtsgericht München: Das Urteil vom 10.06.2015

Nachdem beide Parteien Gelegenheit hatten, zum Ergebnis der Beweisaufnahme vorzutragen, hat das Amtsgericht München am 10.06.2015 die Klage abgewiesen. Das Amtsgericht München hielt die Klage der Firma Sony Music durch die Kanzlei Waldorf Frommer für unbegründet, da unser Mandant weder als Täter noch als Störer verantwortlich ist. Dabei hat das Amtsgericht München insbesondere auch berücksichtigt, dass nach unserem Vortrag der Stiefbruder als Täter in Betracht kommt. Dem Beklagten können nach zutreffender Auffassung des Gerichts nach so langer Zeit auch keine weitergehenden Nachforschungspflichten aufgebürdet werden. Für das Gericht kommt der Stiefbruder als möglicher Täter in Betracht, da er offenbar falsche Angaben gemacht hat und dies nur dann Sinn ergibt, wenn er etwas zu verbergen hat. Doch auch die Freundin des Beklagten kommt für das Gericht als Täterin in Betracht.
Wegen dieser sich widersprechender Zeugenaussagen konnte die Kanzlei Waldorf Frommer nach zutreffender Ansicht des Amtsgerichts München nicht den Beweis für eine Täterschaft des Beklagten führen. Auch eine Störerhaftung scheidet nach überzeugender Auffassung des Gerichts aus, da weder gegenüber Lebensgefährten noch gegenüber Stiefgeschwistern irgendwelche Belehrungs-, Überwachungs- oder Kontrollpflichten bestehen.
Es bleibt zu hoffen, dass sich nach diesem erfreulichen Urteil auch in München der Wind dreht und es zukünftig für Abgemahnte einfacher sein wird, sich gegen eine unberechtigte Inanspruchnahme nach einer Abmahnung durch Kanzleien wie Waldorf Frommer zur Wehr zu setzen. Das Urteil im Volltext finden Sie hier:
Speichern Öffnen UrteilAGMnchen10.06.2015.pdf (2,46 Mb)
Die Kanzlei Waldorf Frommer kann noch innerhalb eines Monats ab Zustellung Berufung zum Landgericht München I einlegen. Wir werden weiter berichten, ob das Urteil rechtskräftig wird oder ob der Rechtsstreit vor dem Landgericht München I in eine neue Runde geht.
Haben auch Sie eine Abmahnung oder eine Klage erhalten, stehen wir Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite.


Eingestellt am 13.07.2015 von Rechtsanwalt A. Forsthoff
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8 Kommentare zum Artikel "Waldorf Frommer Sony Music Klage vor dem AG München abgewiesen":

Am 14.07.2015 schrieb (anonym) folgendes:
Glückwunsch. Ich hoffe das Urteil vom 10.06.2015 hat Bestand und wird nicht (wie schon öfters) vom LG München I aufgehoben und das Gegenteil entschieden. Danach geht es ohnehin nicht weiter zum OLG München, da das LG München I eine Revision regelmäßig nicht zulässt und auch eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO als nicht statthaft deklariert. Wie bewerten Sie die Chancen, dass dieses Urteil rechtskräftig wird ? Geht WF generell in München in die Berufung ?
Am 14.07.2015 schrieb Rechtsanwalt A. Forsthoff folgendes:
Dankeschön, wir haben uns auch außerordentlich über das Urteil gefreut! Die problematische Rechtsprechung des LG München I ist mir bekannt. Allerdings ist dieser Fall meines Erachtens ziemlich eindeutig, weshalb nach meiner Einschätzung WF hier möglicherweise keine Berufung einlegt, um nicht ein für sie ungünstiges Urteil des LG München I zu kassieren, welches wir und andere Vertreter von Abgemahnten dann schön in unsere Schriftsätze einbauen können. Warten wir es ab...
Am 16.07.2015 schrieb (anonym) folgendes:
Bitte mal Endurteil LG München I vom 01.07.2015 (AZ. 37 O 5394/14) analysieren. Da wird von: "...In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu den Filesharingfällen werden somit zwei verschiedene dogmatische Konstruktionen herangezogen, nämlich diejenige der
tatsächlichen Vermutung und diejenige der sekundären Darlegungslast. ..." (Zitat Ende)unter Bezugnahme auf BGH "BearShare" gesprochen und der AI hat zur Erschütterung der Vermutung zu beweisen (Beweislastumkehr ?), etc.. Hier schwindet doch die reelle Hoffnung, dass je ein für zu Unrecht Abgemahnte positiv erstrittenes Urteil des AG München Bestand haben wird. Was meinen Sie im Zusammenhang mit dem von Ihnen erstrittenen Urteil dazu ?
Am 16.07.2015 schrieb Rechtsanwalt A. Forsthoff folgendes:
Ich kenne das Urteil. Dass der Anschlussinhaber die Umstände, die zu einer Erschütterung der tatsächlichen Vermutung führen, beweisen muss, halte ich für falsch (und mit mir etliche Gerichte). Der BGH hat in der Bearshare-Entscheidung ausgeführt, dass der Anschlussinhaber die Umstände lediglich darlegen muss, er hat sich meines Erachtens gegen eine Beweislast des Anschlussinhabers ausgesprochen.
Hätten in dem Fall vor dem LG München I die Zeugen ausgesagt, dass sie zum Verstoßzeitpunkt Zugriff auf den Internetanschluss hatten (ich weiß nicht ob dies der Wahrheit entspricht, da ich im dortigen Verfahren nicht mandatiert war), wäre die Entscheidung möglicherweise ganz anders ausgegangen.
Am 28.07.2015 schrieb (anonym) folgendes:
Hat WF Berufung beim LG München I eingelegt, bzw. ist die Frist verstrichen ? Danke.
Am 27.08.2015 schrieb (anonym) folgendes:
Fast einen Monat nach der letzten Anfrage. Gibt es Neuigkeiten zum Thema Berufung durch die RAe WF? Das LG München I macht gerade (weitgehend "negative") Schlagzeilen mit dem Urteil Az. 21 S 19026/14 vom 12.08.2015 (AG München 133 C 25520/13). Nach Lektüre des Volltextes würde ich mich "schwer wundern", wenn die RAe WF nicht auf das hier beschriebene Urteil Az. 155 C 23521/13 vom 10.06.2015 reagieren. In der Hoffnung auf eine positive Antwort... ;>)
Am 27.08.2015 schrieb Rechtsanwalt A. Forsthoff folgendes:
Inzwischen ist das Urteil des Amtsgerichs München rechtskräftig. Waldorf Frommer hat keine Berufung dagegen eingelegt. Der Fall hier war meines Erachtens so klar, dass selbst das Landgericht München I wohl keine Haftung unseres Mandanten hätte feststellen können. Ich hätte es einerseits sehr gut gefunden, wenn endlich auch einmal das LG München I eine Klage bzw. Berufung von Waldorf Frommer abweist. Andererseits bin ich vor allem froh, dass unserem Mandanten ein langwieriges Berufungsverfahren erspart geblieben ist und Sony Music die gesamten Verfahrenskosten zu tragen hat.
Am 27.08.2015 schrieb (anonym) folgendes:
Herzlichen Glückwunsch. Ich freue mich für ihre(n) Mandanten und natürlich auch Sie. Gute Arbeit. Möge dieses Beispiel eventuell das zarte Pflänzchen einer kleinen "Trendwende" am Gerichtsstandort München einläuten, wenn auch vorerst vereinzelt am Amtsgericht. ;>)

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